Vanda
Dendrobium
Cattleya

Sind Orchideenfreunde
noch normal?

Anlässlich eines Fachgruppenabends hielt unser Mitglied Fritz Eppert †
1972 diesen tollen Vortrag

Namen entfernt

Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Ich betrachte es als eine sehr große Ehre, vor ihnen, einem prädestinierten Kreis, über die Ergebnisse meiner jahrelangen Untersuchungen zu dem Thema „Sind Orchideenfreunde noch normal?“ berichten zu können. Ich trete vor Ihnen erstmals mit dem Ergebnis meiner Forschungen an die Öffentlichkeit. Bei der Klärung der eingangs aufgeworfener Frage ist die Suche nach dem Ursprung eine zu tiefst philosophische Frage von größter Bedeutung. Nur strengste Wissenschaftlichkeit führt hier zu verwertbaren Ergebnissen. Nach langwierigen Vergleichen und Gegenüberstellungen fand ich heraus, dass alle Orchideenfreunde einer meist irreversiblen Infektion durch einen Pilz unterliegen.
Diese grundlegende Feststellung musste zwangsläufig zum Ausgangspunkt der weiteren Untersuchungen werden. Es galt zu untersuchen, ob für genannte Infektion bestimmte Gruppen von Zweibeinern besonders anfällig sind. Da sowohl maskuline, als auch feminine Wesen befallen wurden, das beweist der hier versammelte Kreis, liegt es nicht am Geschlecht. Auch aus der sozialen Herkunft oder der Zugehörigkeit zu politischen und gesellschaftlichen Organisationen ergaben sich keine Anhaltspunkte.
Auch die gesellschaftliche Stellung lässt keine klare Unterscheidung zu; es finden sich solche mit großen Brieftaschen, aber auch solche mit schwindsüchtigen Portemonnaies, welche mit Türklinken an den Autos und Skoda's ohne diesen Zierrat. Auch die Größe des trauten Heimes gestattet keine Aussage. Auch hier finden sich solche, die daheim tanzen können und andere, die ihre neu erworbenen Pflanzen nur durch Optimierung über eine elektronische Datenverarbeitungsanlage unterzubringen in der Lage sind.
Auch eine Betrachtung der vertretenen Berufe, obwohl die Pauker stark vertreten, führte zu keiner beweiskräftigen Schlussfolgerung, so das auch der Grad der Intelligenz nur eine untergeordnete Rolle spielt. So bleibt die Untersuchung der körperlichen Konstitution noch als Kriterium offen - da ich aber sowohl Infizierte mit jugendlichem Elan, als auch solche mit im täglichen Lebenskampf ergrauten Haupthaaren antreffe, ist auch das Alter nicht unterscheidend.
Ich fand darüber hinaus Dicke und Dünne, Große und Kleine, welche mit Stoppelhaar und Welche, bei denen die Stelle, wo einst Haare waren, noch deutlich zu erkennen ist; solche mit und ohne Bart, mit edel geformten Beinen und mit Plattfüßen, mit echtem und mit volkseigenem Gebiss solche mit üppigem und weniger wohlgeformten, mit echtem und mit falschem Busen; solche mit und solche ohne Rheuma, von der herben Landluft wohlgefärbte und vom Stadtmief ausgemergelte.
- Sie mögen daraus erkennen, auch hier finden sich keine Anhaltspunkte. Nach unendlichen Recherchen und einer Vielzahl von Vergleichen kristallisierte sich dann doch noch ein Unterschied zum Rest der Mitbewohner unseres Planeten heraus, nämlich ihre Verhaltensweisen, die unbedingt, gelinde gesagt, als sonderbar charakterisiert werden müssen. Ich möchte diese Verhaltensweisen in 3 Gruppen unterteilen:

1.- Das Verhalten der Umwelt ihnen gegenüber
2.- Ihr Verhalten gegenüber der Umwelt
3.- Ihr eigenes Verhalten und ihre schrulligen Eigenschaften, letzteren wird der breiteste      Raum eingeräumt.

Das Verhalten der Umwelt ihnen gegenüber:

Die Umwelt verhält sich dem infizierten Personenkreis gegenüber, aus der Erfahrung heraus, berechtigt zurückhaltend, skeptisch und nimmt die Orchideenfreunde nicht für voll, um nicht zu sagen, sie verscheißert sie!

Das möchte ich an einigen Beispielen beweisen. Da wird doch der infizierte Personenkreis durch plumpe Propaganda zu einer sogenannten "Orchideenschau" auf der IGA nach Erfurt gelockt - und sie kamen. Behangen mit kompletten Knipsgarnituren und mit etlichen Metern Color - Film, um die angekündigten Kostbarkeiten Wenigstens symbolisch entführen zu können. Wie groß war dann die Überraschung, als auf dieser Schau auch richtig einige blühende Exemplare gesichtet wurden. Die Sonderschau als solche war nicht zu finden.
Da wollten doch 2 Infizierte in Oelsnitz einen Großeinkauf machen - rein in den vierrädrigen Wohlstandsschlitten aus Pappmaschee und los. Dort angekommen, Frage nach der Gärtnerei. Als Antwort verständnisloses Kopfschütteln der Befragten - so geht es weiter, bis ein Ureinwohner die Antwort wie folgt formuliert: "Ich bin hier groß geworden, so eine Gärtnerei gibt es hier nicht in Oelsnitz im Erzgebirge - vielleicht versuchen sie es einmal in Ölsnitz im Vogtland!" Als ob der das nicht gleich sagen konnte!
Den härtesten Beweis aber für die eingangs aufgestellte Behauptung lieferte unsere sozialistische Presse: "Eine Vermehrung ist jedem Blumenfreund auch im Zimmer auf verschiedene Weise möglich!"
Aus der "Tribüne vom 3.7.1970.
Damit möchte ich diesen Komplex abschließen und mich dem nächsten zuwenden.
Wie verhalten sie sich gegenüber der Umwelt:
Unter dem Deckmantel der Kultur und des Umweltschutzes durchstreifen sie die Landschaft zerlatschen Graser, Käfer und allerlei Gewürm, um angeblich die heimische Flora kennenzulernen. Sie verhalten sich also rücksichtslos, erklimmen Hänge, rutschen talwärts und vernichten meterweise Zelluloidstreifen. Um das zu erreichen, kriechen und robben sie zum Teil unter seltsamen Verrenkungen der oberen und unteren Extremitäten in der Botanik herum. Aber auch sie sind misstrauisch gegenüber der Umwelt - sie nehmen zu solchen Exkursionen jenes Töpfchen mit, das gelegentlich zu Diensten sein muss. Hat man es Wiederum nicht mit, kann es Komplikationen geben, wenn man sich im Windschatten eines parkenden Autos niederlässt und es die aus dem Schlaf gerissenen Insassen für einen Wolkenbruch halten.
Auch belästigen sie selbst an Sonntagen noch stärker Infizierte durch ihre Neugier und ihrem Drang, möglichst einige Pflanzen zu ergattern, selbst auf die Gefahr hin, dafi sie über ihre Verhältnisse gehen und die liebe Familie bis zur nächsten finanziellen Gesundung Klimmzüge am Brotkasten ausführt.
Doch dieser Drang nach außen genügt ihnen nicht. Sie sind sogar so verwegen und veranstalten sogenannte Ausstellungen. Sie bringen es dabei fertig, viele unschuldige Bürger, vom Kleinkind bis zum Greis brutal und rücksichtslos stundenlang in sengender Sonne im Freien völlig ungeschützt stehen zu lassen.
Mit dieser Feststellung möchte ich zum dritten Komplex übergehen.
Ihr eigenes Verhalten und ihre schrulligen Eigenschaften:
An den infizierten Personenkreis ist nur schwer Anschluss zu bekommen auf Grund der großen Verständnisschwierigkeiten. Sie geben sich nämlich einen Anstrich der Wissenschaftlichkeit und operieren nur mit ganz verrückten Begriffen! Dazu nur ein Beispiel:
Es soll eine herrliche heimische Pflanze mit dem schönen, deutschen Namen "Frauenschuh" geben. Jeder Unbescholtene kann sich darunter etwas vorstellen; seine Fantasie wird angeregt, etwa so: In diesem verbirgt sich ein zierlicher Fuß welcher übergeht in die elegant geschwungene Linie eines schlanken, wohlgeformten Frauenbeines mit sanften Rundungen des Knies und weiter nein, hier breche ich die Betrachtung ab.
Sie aber sagen es angeblich wissenschaftlich - Cypripedium calceolus -. Kein normaler Mensch kann damit etwas anfangen, geschweige denn seine Fantasie einsetzen.
Unter dem Vorwand der Nächstenliebe und Hilfe verdingen sie sich auch an Dritte zum Umpflanzen (Naumburg), mit dem nicht ganz uneigennützigen Gedanken, einige Riickbulben zu erstehen, mit denen zufällig und völlig unbeabsichtigt noch ganze Pflanzen verbunden sind und kofferraumweise, die Grenzbelastung der Stoßdämpfer erreichend, abtransportiert werden.
Da auch hier aller Anfang schwer und ihr Bestreben, immer mehr zusammenzutragen nicht abzusättigen ist, werden ganze Rundreisen durch die Republik als Bettelreisen unternommen, um schließlich einige Riickbulben zu erstehen, die dann besonders sorgfältig gehegt und gepflegt werden, um ihnen etwas Grün zu entlocken, das aber meist ausbleibt.
Neigt der erst kurze Zeit Infizierte noch zu Zugeständnissen, zu Verehrung und Achtung gegenüber den bereits "Langzeitinfizierten", die sich dann zum Teil eines Pseudonyms bedienen, wie "Vater der Orchideenliebhaber" so sind letztere häufig großzügig in ihren Versprechungen, viel weniger aber im Einhalten ihrer eingegangenen Verpflichtungen und neigen dann zu Selbstsucht und kleinlichen Besitzerkomplexen, aber auch zu Skrupellosigkeit hinsichtlich ihrer Forderungen und versteifen sich bis zu Beleidigungen.
Andere vergraben sich mit ihren sogenannten "Schätzen", werden schroff, abweisend und unzugänglich, selbst dem reinen Betrachter gegenüber.
Andere haben sich auf sogenannte "Zahnzungen" (Odontoglossen) spezialisiert, grübeln Tag und Nacht. Wie die Bestände vergrößert werden können, nutzen dabei alle Möglichkeiten zu Geld zu kommen, auch wenn sie dabei einem anderen ihren schwindsüchtigen Motorroller andrehen, der bei der ersten längeren Fahrt zum Zwecke der botanischen Bildung sein kümmerliches Leben aushaucht.
Haben sie erst einmal über die Buschtrommel vom Auftauchen einer Pflanze erfahren, gehen sie sofort in die Offensive. Erst mal schauen und das Terrain sondieren - nach Hause - schlaflose Nacht - nächsten Tag wieder hin, mit 2 Paketen versteht sich. - Dann werden die Vorzüge des Mitgebrachten analysiert, nichts wird dabei aufier acht gelassen und gegen viel Überredungskunst ist der andere schließlich machtlos.
Auch die Suche nach einem geräumigen, häuslichen Unterschlupf ist bei solchen Personen mit erheblichen Forderungen verbunden; etwa wie:
"Könnten Sie mit der Miete 2 Monate Warten?" oder
"Könnten Sie vom Schlafzimmer die Hälfte abteilen lassen" schließlich
" Vielleicht wäre es möglich, die Wand zum Nachbarn zu verstärken, wir sind noch jung verheiratet?" und letztlich
" Den Balkon möchte ich für meine Orchideen verglast haben!"
Hier muss der Vermieter ein Gemüt wie ein ausgedienter Fleischerhund haben! Wieder ein anderer baut sich ein Haus, aber eines zum darin Wohnen und stopft es voll Pflanzen. Alle Fensterbretter und sonstige Aufstellungsmöglichkeiten, einschließlich Treppenhaus sind ausgelastet. Nun ist er gezwungen, einen Gewächshauskomplex zu errichten, um wenigstens die überall im Wege stehenden Möbel trocken unterstellen zu können.
Selbst hinter der Tür mit dem Herzen sollen zum Zwecke der Kultur und Substitution unangenehmer Gerüche blühende Pflanzen untergebracht sein. Doch immer weiter geht die Hamsterei; aber nur noch große Posten und in transferierbarer Wahrung. Ein hoffnungsloser Fall.
Aber noch krassere Auswüchse Wurden bekannt. Trotz umfangreicher, aber auch wohltätiger Bestände, wurden Arten aus aller Welt beschafft, ja es müssen Nachtschichten eingelegt werden, um mit den notwendigsten Arbeiten fertig zu werden. Die Infektion ist so weit fortgeschritten, dass dieser Bedauernswerte, unbestätigten Angaben zufolge, zwischen 0 und 1 Uhr durch die Gewächshäuser geistert und dort die vitalsten seiner Infektionspilze beschwört, ihm zu einer Metamorphose zu verhelfen, die seinen eigenen Wuchs den seiner ansehnlichsten Pflanzen nähert. Parallel dazu füttert er seine körpereigenen Pilze regelmäßig und ist somit zum Schrecken aller Kürbiskerne geworden.
Ganze Populationen sind so dem Pilz schon zum Fraßfi vorgeworfen worden. Unter dem Vorwand eines Experimentes wurde ein Pflegeprogramm für Testpflanzen aufgebaut, denn ursprünglich sollten auch Pflanzen folgen. Dieses eine Beispiel der Unzuverlässigkeit soll stellvertretend für die Summe der Unverlässlichkeit aller stehen.
Aber auch noch andere Auswirkungen konnte ich beobachten. Man kopiert sogar antike Gepflogenheiten, nämlich jene, als noch edle Flüssigkeiten aus dem lieblichen Saft der Reben in Galonen unter Lebensgefahr über die Weltmeere manipuliert wurden. Heute im Plastezeitalter werden in Plastebehältern nicht etwa Rebensaft, sondern ganz gewöhnliches Wasser viele Kilometer weit transportiert, nur weil es, was noch nicht erwiesen, angeblich aus einer weicheren Quelle des Thüringer Landes stammt. Die Ökonomie soll hier nicht betrachtet werden. Aber sicherlich bekommt man seine Lieblinge auch mit einem anderen Nass in den Zustand des Pfeifentabaks.
Wird dieses Nass von einem Gefährt transportiert, dessen Lenkrad nur noch als Alibi für die Weißen Mause vorhanden ist, ansonsten die Lenkung keinen Gehorsam leistet, dann wird in bedenklicher Weise von den üblichen Spielregeln abgewichen.
Vielfach wurden in diesem Kreis die zusammengegaunerten Pflanzenbestände als "Lieblinge' bezeichnet, aber was diese Lieblinge alles über sich ergehen lassen müssen! Als sogenannte Kulturbehälter mutet man ihnen nahezu alles zu - vom kleinen Zigarrenkästchen bis zum Medikamentenschrank, vom Plastebeutel bis zur Plaste-Sommerresidenz, vom Pseudobalkon bis zum Keller reichen die sogenannten Kulturräume - und es beginnen sich Kellerkönige herauszubilden. Ja selbst die miesen Ausgasungen minderwertigen Kokses werden ihnen zugemutet.
Abschließend zu dieser Frage noch zwei weitere symptomatische Verhaltensweisen: - Da hat doch einer mit erheblicher Überredungskunst eine Neuerwerbung getätigt. Jetzt wird gepflegt und beobachtet, abgeschätzt und nachgeholfen und das störrische Exemplar dankt es mit dem Abwerfen der letzten Blatter. Nur noch einige dickbauchige, längliche, kahle Strünke eines Dendrobium nobile bleiben übrig. Kühne Schlussfolgerung - falsch behandelt, krank geworden! Der Liebling wird schmerzerfüllt aber feierlich dem Opfergott in Form einer Mülltonne dargeboten. Kurze Zeit später, an anderer Stelle, blüht ein solcher Strunk gleicher äußerer Erscheinungsform. Große Überraschung und ein kräftiger, hier nicht wiedergebbarer Fluch gegen sich.
Ein anderer fuhr auch als Sonntagsruhestörer zu einer eingangs schon erwähnter Exkursion und vertraute seinen olympischen Körper nach dem Motto "Reise zuverlässig und sicher mit der Deutschen Reichsbahn", dieser an. Rückreise, noch aufklärende Fragen und ab geht die Fuhre in Richtung Heimat. In der Nähe des Bestimmungsbahnhofes - als Einziger - fertigmachen zur Landung. Aber der Lokführer muss das nicht gewusst haben, er machte keinerlei Anstalten zum Anhalten. So fuhr dann unser Ärmster mit hängenden Ohren und feuchten Augen, aber in strammer Haltung, vorüber am trauten Heim, um exakt 128,5 Bahnkilometer weiter dem rasenden Ungeheuer zunächst erst einmal zu entrinnen.
Ich möchte damit endgültig zum Schluss kommen und das Ergebnis wie folgt zusammenfassen:
Auf Grund des eingehenden Studiums der Eigenschaften und Verhaltensweisen, als auch der ausgeführten Beweise, bin ich zu dem Resultat gekommen, dass Zweibeiner mit solchen Eigenschaften und Verhaltensweisen sich weitab der üblichen Normen bewegen und deshalb nicht als normal anzusehen sind.